Ausgabe v. 31.08.2010

LVZ v. 31.08.2010

»Der Johannisplatz braucht seinen Turm« – mit diesem Slogan wirbt der Bürgerverein Johannis­kirchturm, dem Platz wieder eine Höhendominante zu geben. Ein Neubau des Turms der gespreng­ten Kirche ist derzeit aber unbe­zahl­bar. Deshalb hat der Verein neue Ideen, das Areal aus der »geschichtlichen« Verbannung zu holen.

Die Verkehrsströme auf dem Grimmaischen Steinweg in Richtung Prager sowie Dresdner Straße sind neugeordnet worden, für die Straßenbahn neue Halte­stellen entstanden. Der Platz präsentiert sich in einem akzeptablen Zustand. Längst sind die Zeiten vorbei, als er als städtebauliche Brache wahr­genommen wurde. Und dennoch: »Von Touristen wird der Eingang zur Ostvorstadt nicht richtig wahrgenommen«, sagt Johannes Hähle vom Vereinsvorstand. Natürlich lassen die Leipziger und ihre Gäste den Blick vom Paulinum und der Universitätskirche in Richtung Grassi-Museum schweifen, das mit der Ananas auch wieder einen ihrer historischen Blickpunkte zurückerhalten hat. Historisch gesehen stand dort aber die Johanniskirche, auf dessen Turm die Architektur des Grassi-Museums einst ausgerichtet war. Zur Erinnerung: Die Johanniskirche brannte beim schwersten Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 aus

Der Trümmerberg musste nach dem Krieg abgetragen werden. Der barocke Turm blieb aber stehen, wurde 1956 sogar restauriert. Er sollte zunächst Teil eines geplanten Bauchmausoleums werden, da Bach nach der Umbettung vom Alten Johannisfriedhof zunächst in der Gruft der Johanniskirche bestattet worden war. Doch es kam anders: Der Turm, von den damals Mächtigen als »hohler Zahn« diffamiert, wurde 1963 gesprengt. Bachs Gebeine waren bereits 1949 in die Thomaskirche gebracht worden.

Der Verein plant nach wie vor, eine Kopie des Turmes zu errichten. Doch die dafür erforderlichen zwei Millionen Euro kann momentan niemand aufbringen. »Trotzdem müssen wir den Platz aus seiner geschichtlichen Verbannung holen«, betont Hähle. Ebenso wie Christian Jonas, ebenfalls Ex-Stadtrat, und andere Mitglieder des Vereins hat er dafür einige Ideen. »Niemand weiß, was unter dem Gras der Mittelinsel auf dem Johannisplatz wirklich liegt. Das könnte aber mit einer Suchgrabung leicht erkundet werden«, schlägt Hähle vor. Dafür gibt es bereits Angebote. Die Vereinsmitglieder hoffen, in den zugeschütteten Trümmern der Kirche die Bach-Gellert-Gruft zu finden. »Vielleicht ist es sogar möglich, die Grundrisse der Kirche freizulegen«, so Jonas. Findet man die Grüfte, wäre es vorstellbar, alles mit Glas abzudecken. Das Areal könnte zugleich Gedenkstätte für Leipzigs verschwundene Gotteshäuser sein. Selbst Modelle früherer Bauten könnten gezeigt werden. »Wenn die Bach-Gellert-Gruft freigelegt werden könnte, wäre die ein Anziehungspunkt. Und eine Ergänzung fürs Notenspur-Projekt. Denn nichts erinnert daran, wo Bach einst begraben war«, so der ehemalige CDU-Fraktionschef Hähle. Natürlich rücke der Verein nicht von seinem Ziel ab, den Kirchturm zu errichten. »Doch das sollte die Krönung bleiben.« Vereinschef Johannes Schulze und seine Mitstreiter hoffen auf eine Initialzündung. Ebenfalls nicht vom Tisch ist der Wunsch, vor dem Barockkirchturm das Luther-Melanchthon-Denkmal wieder zu errichten. […]