wohnzeit · Das Magazin der LWB · Nr. 3/2006
Die Lepra, im Mittelalter von Kreuzfahrern aus dem Morgenland nach Europa eingeschleppt, gab an der Pleiße den Anstoß zur Entwicklung einer Vorstadt: Gleich anderen Städten, so verbannte auch Leipzig seine Kranken vor die Tore. Sie erhielten Hilfe von einem Haus, das 1278 erstmals urkundlich erwähnt wurde – dem Johannishospital. Der Name ging auf Johannis den Täufer zurück, Schutzpatron der Aussätzigen.
Das Hospital vor den Toren stand nicht lange allein: Weitere Ansiedlungen schufen eine »Johannisvorstadt«, was sich in Namen wie »Johannisplatz«, »Johannisgasse« oder »Johannisallee« niederschlug.
Das Hospital, das seinen Unterhalt aus Landwirtschaft, Spenden und Stiftungen bestritt, blieb über Jahrhunderte im Mittelpunkt des Geschehens. Zu ihm gehörten eine schlichte Kapelle, die 1305 erstmals in den Akten auftauchte, und ein Friedhof. Das Gotteshaus erlitt während des Schmalkaldischen Krieges 1547 schwere Beschädigungen, wurde 1582/87 neu errichtet und erhielt 1746/49 ein »Glanzstück« in Form eines prächtigen Barockturmes, neben dem die bescheidene Kirche nur wie ein Anhängsel wirkte.
Schöpfer des Turmes war George Werner, der bedeutendste Baumeister des Leipziger Spätbarocks. Als Ende des 19. Jahrhunderts ein Neubau des inzwischen maroden Kirchenschiffes entstand, entschied sich Stadtbaudirektor Hugo Licht für einen Barockbau »passend zum Turm«. Leider sollte die 1897 vollendete neue Johanniskirche nur rund 46 Jahre stehen, denn 1943 zerstörte ein Bombenangriff das Gebäude. Der Turm, recht gut erhalten, war ursprünglich zur Restaurierung vorgesehen, fiel aber 1963 doch dem »Aufbauwahn« zum Opfer.
Der Johannisfriedhof, einst nur für verstorbene Insassen des Hospitals gedacht, erhielt 1536 gesamtstädtische Bedeutung, als der Leipziger Rat beschloss, dass dieser Gottesacker künftig die einzige Begräbnisstätte Leipzigs sein solle. Die Folge war, ein bedeutendes Wachstum dieses Areals. Es erreichte Ausmaße, die weit über das heute bekannte Denkmal »Alter Johannisfriedhof« reichten. Zahlreiche bedeutende Leipziger – unter ihnen Verleger, Dichter und Industrielle – fanden hier ihre Ruhestätte. Die letzte Beerdigung fand im Dezember1883 statt. Als zwischen 1925 und 1927 das neue Grassimuseum entstand, musste ein Teil der Anlage den Neubauten weichen. Der ursprünglich älteste Teil des Friedhofes war bereits 1850 säkularisiert und als »Johannisplatz« ins Stadtbild aufgenommen worden.
Auch die Kleingartenanlage »Johannistal« gehört zum Vermächtnis des alten Hospitals, denn dieses betrieb hier eine Sandgrube. 1812 reichten drei Stadträte unter der Federführung von Dr. Moritz Seeburg den Vorschlag ein, das Areal in Gartenland zu verwandeln, um »den ärmeren Bewohnern der Johannisvorstadt Gelegenheit zu geben, die nötigen Kartoffeln und andere Erdfrüchte anzubauen«. Im Frühjahr 1833 entstanden die ersten Parzellen. Die jährliche Pacht betrug drei Taler. Die Einweihung der Anlage (eine der ältesten in Deutschland) erfolgte natürlich – am Johannistage!
Das Hospital selbst überlebte bis in die neuere Zeit, wenn auch längst keine Leprakranken mehr zu betreuen waren. Im 19. Jahrhundert diente es als geschätztes, wenn auch nicht gerade billiges Altenheim. Wer hier seine künftige Hinterlassenschaft einbrachte, erhielt fortan unentgeltlich Kost und Logis (»einschließlich Bier und andere Bedürfnisse«) sowie ärztliche Betreuung und Arzneien.
Was wunder also, dass man recht gern gutbetuchte Bewerber bevorzugte und das Haus im Volksmund die Bezeichnung »das reiche Spittel« trug.